Caravaggio in Rom

Dieses Jahr feiern wir den 450. Geburtstag von Caravaggio. Er wurde 1571 in Mailand geboren und kam als junger Mann mit Anfang zwanzig nach Rom. Da er ein sehr talentierter Maler war, fand er recht bald Unterstützung von den Kardinälen, die ihm wichtige Aufträge vermittelten, sodass wir in Rom in mehreren Kirchen Kapellen haben, die von Caravaggio dekoriert wurden. Aber selbstverständlich befinden sich die meisten seiner Meisterwerke in den Museen. Insgesamt können wir uns in Rom sechsundzwanzig Werke dieses großen Barockmalers anschauen.

Caravaggio gilt als einer der bedeutendsten Barockkünstler in Italien. Sein Malstil war revolutionär und basierte nicht mehr auf dem klassischen Vorbild der Renaissance. Was war nun so modern in seiner Malerei? Zwei Elemente spielen hier eine fundamentale Rolle:

1. Die Beleuchtung – die meisten seiner Werke haben einen dunklen, eher undefinierbaren Hintergrund und eine eindeutige, sehr starke Lichtquelle, d.h. wir sehen einen harten Kontrast zwischen hell und dunkel. Ähnliches kennen wir von Rembrandt, der diese Technik allerdings erst deutlich später verwandte. Durch diese starken Kontraste bekommen die Werke immer einen dramatischen Charakter.

2. Realismus – Caravaggios Kunst ist nicht mehr idealisiert, wie wir das von der Antike und Renaissancemalerei kennen, sondern extrem realistisch, was oft zu Skandalen führte. Mehrere seiner Werke wurden von der Kirche abgelehnt, weil sie zu realistisch waren, z.B. hat Christus bei seiner Grablegung (Vatikanische Pinakothek) schwarze Fußsohlen, oder Maria, die Christus zeigt, wie man eine Schlange tötet (Galleria Borghese – Madonna di Palafrenieri) hat einen tiefen Ausschnitt, sodass man den Ansatz der Brust erkennt. Er selbst sagte von sich, dass sein Lehrmeister nicht die Antike sei, sondern der normale Mensch auf der Straße. Seine Modelle waren Straßenkinder, Bettler und Prostituierte.

Sein Malstil entsprach auch seinem Charakter. Er galt als streitsüchtig, war oft in Schlägereien verwickelt, was ja sogar zur Ermordung eines Menschen führte, weshalb er 1606 Rom fluchtartig verlassen musste, da der Papst ihn für vogelfrei erklärt hatte, d.h. jeder durfte ihn enthaupten.

Wo finden wir nun Werke von Caravaggio? Bei unseren Stadtbesichtigungen gehen wir oft in drei Kirchen, um unseren Gästen Caravaggio zu zeigen. In der Nähe der Piazza Navona befindet sich die französische Nationalkirche S. Luigi dei Francesi. In der letzten Kapelle im linken Seitenschiff (Cappella Contarelli) können wir gleich drei Werke von Caravaggio bewundern, die uns Szenen aus dem Leben von Matthäus dem Zöllner zeigen (ab 1599 gemalt). Linkerhand sehen wir seine Berufung. Matthäus sitzt mit anderen Zöllnern an einem Tisch und ist sehr überrascht, dass Christus ihn auswählt.

Bereits hier erkennen wir die starken Hell-Dunkel-Kontraste. Aber noch deutlicher wird dies auf der rechten Seite, wo das Martyrium des heiligen Matthäus dargestellt wird. Matthäus liegt am Boden, über ihn beugt sich sein Henker, der ihn in wenigen Sekunden töten wird. Diese beiden zentralen Personen sind in hellem Licht dargestellt, alle weiteren sind im Halbdunkel nur zu sehen. Das Altarbild stellt den Engel dar, der Matthäus das Evangelium zu diktieren scheint. Hier ist nun der Hintergrund komplett schwarz, sodass wir uns nur auf die zwei Figuren konzentrieren, die sich in fast grellem Licht gegen den dunklen Hintergrundsich absetzen. Von diesem Thema musste Caravaggio zwei Versionen malen. Leider ist die erste Version im 2. Weltkrieg in Berlin zerstört worden.

Nur wenige Schritte weiter können wir die Augustinerkirche Sant Agostino besuchen. Gleich in der ersten linken Seitenkapelle sehen wir das Bild der Madonna di Loreto (1604 entstanden). Maria mit dem Christuskind auf dem Arm steht in der Haustür. Vor ihr knien zwei Pilger in Anbetung. Maria ist wie eine noble Römerin dargestellt, wohingegen die beiden Pilger vom langen Weg recht staubig sind, was immer wieder kritisiert wurde. Eine solche Darstellung entsprach nicht der kirchlichen Vorstellung.

Die dritte Etappe unserer Besichtigungstour führt uns nun zur Piazza del Popolo in die Kirche von Santa Maria del Popolo. Am Ende des linken Seitenschiffs hat Caravaggio in der Cappella Cerasi zwei Werke gemalt (1600/1601). Rechterhand sehen wir die Kreuzigung von Petrus. Dargestellt ist der dramatischste Moment, als er mit dem Kopf nach unten an das Kreuz gebunden wird. Das Werk basiert auf der Komposition von zwei schrägen Linien (wie ein X). Auch hier erkennen wir die typische Lichtführung. Die für Caravaggio wichtigen Elemente sind in hellem Licht dargestellt, alles andere ist im Schatten. Gegenüber sehen wir eines der revolutionärsten Werke von Caravaggio, die Bekehrung von Paulus. Auf seinem Weg nach Damaskus wurde der heidnische Römer Saulus von einem göttlichen Blitz getroffen. Dieses Erlebnis hat ihn tief berührt, und er wurde zum Christen, nannte sich ab sofort Paulus. Durch die Beleuchtung und die Gestik bekommt das Bild eine unglaubliche Dramatik.

Selbstverständlich gibt es viele weitere Werke in den römischen Museen. In erster Linie nenne ich hier die Galleria Borghese. Kardinal Scipione Borghese, der im 17. Jahrhundert diese Kunstsammlung angelegt hat, war ein Bewunderer von Caravaggio. Er besaß zwölf Werke des Künstlers, von denen wir immerhin noch sechs in der Galleria besichtigen können. Ein ganzer Raum im Erdgeschoß ist ihm gewidmet. Besonders erwähnenswert, abgesehen von der schon genannten Madonna di Palafrenieri, ist die Enthauptung von Goliath. David präsentiert uns den abgeschlagenen Kopf von Goliath, wobei dieser ein Selbstportait von Caravaggio darstellt. Er fürchtete, nachdem er in einem Streit seinen Gegner getötet hatte, jederzeit enthauptet zu werden, denn dies war das päpstliche Urteil. Die Angst steckte tief in ihm, was sich in diesem Bild deutlich ausdrückt.

In den Vatikanischen Museen kann man in der Pinakothek die bereits erwähnte Kreuzesabnahme, bzw. Grablegung von Christus bewundern. Sehr gut erkennt man hier den Kontrast zu Werken von anderen Barockmalern, die weiter sehr traditionell, im klassischen Stil, gemalt haben. Dadurch wird jedem deutlich, wie modern und damit skandalös die Bilder Caravaggios waren.

Außerdem lohnt sich auch ein Besuch in der privaten Galleria Doria Pamphili mit zwei Jugendwerken von Caravaggio: Ruhe vor der Flucht nach Ägypten (1597) und die büßende Magdalena (1594/1595). Beide Bilder waren sicher für den privaten Gebrauch in einem römischen Adelspalast gedacht. Als Modell für Maria im einen und Magdalena im anderen Werk diente eine siebzehnjährige Prostituierte, mit der Caravaggio eine wohl recht turbulente Beziehung hatte. Damit wurde bereits in jungen Jahren klar, dass er wohl kaum ein kirchentreuer Maler sein würde.

In den Kapitolinischen Museen (in der Pinakothek im 2. Stockwerk des Palazzo dei Conservatori) sehen wir die Wahrsagerin. Ein junges Mädchen liest einem edel gekleideten jungen Mann die Zukunft aus der Hand, ein Thema, das Caravaggio auch in Zukunft mehrfach wieder aufgenommen hat. Außerdem können wir hier auch eine von insgesamt neun Kopien von Johannes dem Täufer bewundern (zwei weitere befinden sich in der schon genannten Galleria Doria Pamphili und im Palazzo Corsini in Trastevere)

Zum Abschluß unserer Caravaggio-Besichtigung in Rom gehen wir in die italienische Nationalgalerie im Palazzo Barberini und sehen zwei weitere Meisterwerke: Judith, die Holofernes enthauptet. Dieses Bild entstand etwa gleichzeitig wie die Capella Contarini in San Luigi dei Francesi (1599) und zeigt alle typischen Charaktermerkmale seiner Malerei: Durch den starken Lichteinfall von links oben werden gewisse Details extrem hervorgehoben. Die Enthauptung wird im dramatischsten Moment dargestellt, als Holofernes die Augen aufreißt, das Blut aber bereits aus der Schlagader spritzt, er gerade noch versucht, sich aufzubäumen, aber wenige Sekunden später wird er tot zusammenbrechen.

Beachtenswert ist auch das etwas vorher entstandene Bild von Narziss, der sich im Wasser spiegelt. Sehr ungewöhnlich ist diese Komposition, denn die obere und untere Hälfte des Bildes sind absolut identisch in der Form, nur das Licht ist in der Spiegelung sehr viel geringer als im oberen Teil, in dem Narziss sich über die Wasserfläche beugt.

Foto: Public domain