San Pietro in Vincoli ist eine der ältesten Kirchen von Roms, erbaut zu Beginn des 5. Jahrhunderts. Sie liegt etwas versteckt, oberhalb vom Kolosseum auf dem Colle Oppio, der Teil vom Esquilinhügel ist. Übersetzt heißt die Kirche Heiliger Petrus in den Fesseln, denn hier unter dem Hauptaltar werden die Ketten aufbewahrt, mit denen Petrus in Rom und in Jerusalem gefesselt worden war und die wundersamerweise miteinander verschmolzen sind. Berühmt ist die Kirche vor allem wegen eines Meisterwerks von Michelangelo: Das Grabmal von Papst Julius II mit der Mosesstatue. Michelangelo war ein Universalgenie, aber seine wahre Leidenschaft galt der Bildhauerei.
Julius II gab dem jungen Künstler den Auftrag, ein riesiges Mausoleum als Grabstätte für sich zu errichten. Dieses Grab sollte in der neuen Peterskirche aufgestellt werden, die sich gerade im Bau befand. Michelangelo war überglücklich, einen solch bedeutenden Auftrag zu erhalten, begab sich sofort nach Carrara in der Toskana, um die zahlreichen Marmorblöcke auszuwählen für etwa 40 Skulpturen. Aber als er nach mehreren Monaten nach Rom zurückkehrte, war der Papst nicht mehr sehr an dem ursprünglichen Auftrag interessiert. Michelangelo war zu tiefst enttäuscht und wollte nie wieder für diesen Papst arbeiten. Aber wenige Jahre später hat ihn Julius wieder zu sich gerufen und ihm die Ausmalung der Decke der Sixtinischen Kapelle in Auftrag gegeben, was Michelangelo natürlich nicht zurückweisen konnte.
Erst nach dem Tod des Papstes haben die Erben das Grabprojekt wieder aufgenommen, allerdings wurde es mehrfach verändert, vor allem aus finanziellen Gründen reduziert. Insgesamt hat das Projekt sich über vierzig Jahre hingezogen, was auch die stilistischen Unterschiede der Skulpturen erklärt.
Das Grabmal nimmt jetzt eine gesamte Wand im rechten Querschiff der Kirche ein. Im Zentrum des Grabmals sehen wir die berühmte Statue von Moses, der auf dem Berg Sinai von Gott die Gesetzestafeln erhalten hat. Als er zu seinem Volk der Juden zurückkehrt, sieht er, wie alle die Statue eines goldenen Kalbes anbeten. Daraufhin war er so erzürnt und wollte die Tafeln zerschmettern. Genau dieser Moment ist von Michelangelo dargestellt. Wütend zieht er seinen langen Bart zur Seite, die Augen blicken grimmig. Auffallend und sehr typisch für Michelangelo ist die extreme Betonung der Muskulatur, denn er war sehr interessiert an der menschlichen Anatomie, hat sogar heimlich Leichen seziert, was damals noch bei Todesstrafe verboten war.
Was es mit den berühmten Hörnern auf dem Kopf von Moses auf sich hat und warum wir hier bei der letzten Restaurierung vor wenigen Jahren viele neue Erkenntnisse gewonnen haben, erzähle ich Ihnen gerne bei meiner Führung vor Ort.
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